Der innenpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Albrecht Pallas hat im Sachsenlandkurier, der Verbandszeitschrift des Sächsischen Städte- und Gemeindetages (SSG), einen lesenswerten Artikel zur im Dezember beschlossenen Kommunalrechtsnovelle veröffentlicht. Dabei geht es nicht nur um die formalen Gesetzesänderungen, sondern vor allem auch um das neue Miteinander zwischen Land und Kommunen:

Mehr Mitwirkung und Beteiligung in den sächsischen Kommunen –  Neues Miteinander zwischen Freistaat und Kommunen

Mit dem Beschluss des Landtags zum Zweiten Gesetz zur Fortentwicklung des Kommunalrechts Ende 2017 ist ein weiterer wichtiger Punkt des Koalitionsvertrages zwischen SPD und CDU erfolgreich umgesetzt worden.

Einige vereinbarte Punkte wie die Lockerung des Örtlichkeitsprinzips bei energiewirtschaftlichen Unternehmen, die Wiedereinführung der Entsendung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in freiwillige Aufsichtsräte kommunaler Unternehmen oder die Einvernehmensregelung bei der Bestellung kommunaler Beigeordneter wurden zwar bereits in früheren Gesetzgebungsverfahren angepackt. Das Kernprojekt ist aber zweifelsohne die jüngst beschlossene Kommunalrechtsnovelle.

Ziele der Koalition waren dabei einerseits, die Gemeinden, Städte und Landkreise dabei zu unterstützen, ihre Aufgaben künftig besser erfüllen zu können und ihnen dabei auch größere Spielräume in finanziellen und vermögensrechtlichen Fragen zu geben. Andererseits war es der SPD sehr wichtig, die Rechte der Gemeinderäte und Kreistage zu verbessern, aber vor allem die Mitbestimmungs- und Beteiligungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger vor Ort auszubauen.

Insbesondere zu diesem Teil der Reform gab es auch im Landtag die intensivsten Diskussionen. Ein Paukenschlag war in diesem Zusammenhang die deutliche Kritik des SSG an dem Gesetzesentwurf im Rahmen seiner schriftlichen Stellungnahme im Sommer 2017. Diese war bezogen auf die einzelnen Änderungsvorschläge überaus differenziert. Die grundsätzliche Kritik am Verfahren (knappe Fristsetzung) und an der zu späten und ausbaufähigen Einbindung der kommunalen Familie war nachvollziehbar.

Wir haben Kritik gehört und nachgebessert

Daher war es für die SPD-Fraktion besonders wichtig, sich im parlamentarischen Verfahren intensiv mit den geäußerten Kritikpunkten auseinanderzusetzen. Wir sprachen hierbei fortgesetzt mit Vertretern der Kommunalen Spitzenverbände und Praktikern aus den Kommunen über die wichtigsten Punkte sowie ganz aktuelle Probleme und deren Lösung. In der öffentlichen Anhörung des Innenausschusses im September konnten wir unsere Lösungsvorschläge schließlich mit teils widerstreitenden Meinungen der Sachverständigen abgleichen. Schließlich haben die Koalitionsfraktionen den Gesetzentwurf der Staatsregierung noch an vielen entscheidenden Punkten nachgebessert, zu denen insbesondere der SSG Änderungsbedarf angezeigt hatte. Aus Sicht der SPD-Fraktion können sich die Ergebnisse dieses intensiven und manchmal schwierigen Prozesses durchaus sehen lassen.

Ausbau der Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte in den Kommunen

Für die SPD war und ist der Ausbau von Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechten der wichtigste Teil der Kommunalrechtsreform. Dabei mussten wir natürlich der Vielfalt der kommunalpolitischen Realität in Sachsen gerecht werden. Die bewegt sich zwischen kreisfreien Städten mit „parlamentarisierten“ Stadträten und kleinen Kommunen, in denen die Gemeinderäte gar keine Fraktionen bilden und zumindest viel konsensualer arbeiten. Sie reicht von Gemeinden, die aus einer Vielzahl von ehemals selbstständigen Gemeinden bestehen, bis hin zu mittleren und großen Städten, deren Gebiet über viele Jahrzehnte so überformt wurde, dass die ehemaligen Orte gar nicht mehr erkennbar und nicht im Bewusstsein der Bevölkerung sind. Es ging uns auch um einen sinnvollen Interessenausgleich zwischen der Verwaltung und den Gemeinde- und Kreisräten, aber auch zwischen lokalen Gremien und der Gesamtgemeinde.

Durch den Gesetzesbeschluss werden Mitwirkungs- und Beteiligungsmöglichkeiten nun auf ganz unterschiedlichen Wegen verbessert.

Politik lebt vom Mitmachen. Uns als Sozialdemokraten ist die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an den Entscheidungen vor Ort sehr wichtig – ganz besonders die von Kindern und Jugendlichen. Denn sie sind unsere Zukunft. Wir möchten, dass sie in Sachsen bleiben. Folgerichtig sollen sie dann  auch mitbestimmen dürfen, was vor Ort passiert. Es gibt Kommunen, in denen das bereits gang und gäbe ist. Andere sollen nachziehen – deshalb haben wir die Mitwirkungsrechte von Kindern und Jugendlichen jetzt explizit festgeschrieben.

Mit dem Gesetz werden auch die Rechte von Gemeinderäten und Fraktionen gestärkt. Beispielhaft seien hier genannt: Der Abbau von Hinderungsgründen für eine Mitgliedschaft im Gemeinderat bzw. Kreistag, die Klarstellung der Vertretungsregelung in den Ausschüssen des Gemeinderats bzw. Kreistags oder die Abschaffung des Zwangs für das Zählverfahren nach d’Hondt bei der Besetzung von Ausschüssen.

Privatisierungsbremse „light“ eingeführt

Seit längerem ist die Privatisierung kommunaler Unternehmen von erheblichem öffentlichem Interesse. Diverse Bürgerbegehren oder Bürgerentscheide in den vergangenen Jahren zeugen von einer großen Identifikation der Bürger mit Gütern der öffentlichen Daseinsvorsorge, welche häufig in kommunalen Unternehmen privatrechtlicher Form gehalten und umgesetzt werden. Als SPD haben wir dieses Thema frühzeitig in der Koalition angesprochen. Im Ergebnis haben wir uns auf eine  Privatisierungsbremse „light“ geeinigt. Demnach wird nach einem Gemeinderatsbeschluss über die Veräußerung eines kommunalen Unternehmens eine Wartefrist von drei Monaten eingeführt, in der die Kommune den Beschluss nicht vollziehen darf. Dies stärkt die Interessen der Öffentlichkeit bzw. den Rechtsschutz der Bürgerinnen und Bürger. So kann in Ruhe ein Bürgerbegehren angestrengt werden, ohne dass durch die Kommune Tatsachen geschaffen werden.

Örtliche Beteiligung weiterentwickelt

Das Herzstück der Reform ist aber die örtliche Beteiligung in Ortschaften bzw. in Stadtbezirken. Diese Vorschläge lösten die meisten Diskussionen aus, denn sie werden die Realität der lokalen Beteiligung in großen wie in kleinen Gemeinden am nachhaltigsten zum Positiven verändern.

Bei den Änderungen im Bereich der Ortschaftsverfassung ging es einerseits um eine Stärkung der Position von Ortschaften gegenüber dem Gemeinderat bzw. der Gesamtgemeinde. Andererseits ging es uns aber auch um eine Rückbesinnung auf den eigentlichen Sinn dieser örtlichen Organisationsform: die Begleitung von Prozessen der Gebietsänderung (meist Eingemeindungen). Ehemals selbstständigen Ortsteilen soll das Hineinwachsen in die aufnehmende Gemeinde erleichtert werden. Ein Ausbau der örtlichen Beteiligung sollte aber nur soweit erfolgen, wie die Gesamtgemeinde noch funktionsfähig ist. Kommt es zu „Kleinstaaterei“ oder unnötiger Verzögerung von dringenden Entwicklungsprozessen durch überbordende Beteiligung, kann das schnell kontraproduktiv werden.

Als SPD wollten wir deshalb beides ermöglichen: einen Ausbau der Beteiligungsmöglichkeiten vor Ort und die Sicherung der Funktionsfähigkeit der gesamten Gemeinde. Das führte uns zu der Erkenntnis, dass die Ortschaftsverfassung jenseits von Eingemeindungen für größere Städte nicht das beste Instrument ist.

Neue Stadtbezirksverfassung eingeführt

Aber auch in den großen Städten gibt es ein großes Bedürfnis nach besserer lokaler Mitbestimmung. Deshalb haben wir dieses vereinbarte Koalitionsziel nun umgesetzt. Wir schaffen für die kreisfreien Städte eine neue Stadtbezirksverfassung.

Was wird in den Stadtbezirken künftig möglich sein? Kurz gesagt: All das, was sich viele Kommunal- und Lokalpolitiker aus einer der kreisfreien Städte für die örtliche Beteiligung wünschen, werden wir ermöglichen. Eine Direktwahl der Stadtbezirksbeiräte; eine Übertragung fast aller Aufgaben analog zu den Ortschaften mit Ausnahme gesamtstädtischer Infrastruktur; ein Anhörungsrecht wie auch ein Selbstbefassungsrecht der Stadtbezirksbeiräte; das nötige Budget zur Erfüllung ihrer Aufgaben.

Selbstverständlich haben die Stadträte das Recht, die gewünschten Elemente der Mitwirkung in ihren Stadtbezirken optimal zusammenzustellen. Damit ermöglichen wir weit mehr lokale Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte, ohne die Arbeitsfähigkeit der Gesamtstadt zu gefährden.

Erleichterungen für die Kommunen angepackt

Bereits im Gesetzesentwurf der Staatsregierung waren einige Punkte enthalten, die konkrete Erleichterungen für die sächsischen Kommunen im Bereich wirtschaftlicher Betätigung und der Veräußerung von Vermögen zum Ziel haben. Die Koalitionsfraktionen haben sich auf weitere Erleichterungen im kommunalen Haushaltrecht verständigt, auch weil diese Themen im Laufe des Jahres 2017 verstärkt problematisiert wurden. Die wichtigsten Punkte sind: Die Einführung einer rechtssicheren Genehmigungsfiktion bei der Veräußerung kommunalen Vermögens, die Definition und Erweiterung nichtwirtschaftlicher Unternehmen, die Befreiung von Pflicht zum Nachtragshaushalt bei Ersetzung von Investitionsmaßnahmen sowie die konkrete Entlastungen bei nachzuholenden Jahresabschlüssen und der Aufstellung eines Gesamtabschlusses.

Einige Punkte nicht geschafft

Aus Sicht der SPD hätte man natürlich auch noch weitere Punkte in die Novelle aufnehmen können. Gerade im Bereich des Gemeindewirtschaftsrechts fanden wir eine Reihe von Vorschlägen, insbesondere aus dem von SSG und VKU 2016 verabschiedeten Positionspapier, sehr nachvollziehbar. Das betrifft beispielsweise die Streichung der Anhörungspflicht der Kommunen oder die Lockerung des Örtlichkeitsprinzips bei wirtschaftlicher Betätigung der Kommunen, um die interkommunale Zusammenarbeit zu erleichtern.

Allerdings – und das ist normal in einer Koalition – gab es zwischen SPD und der CDU in vielen Bereichen unterschiedliche und oft auch diametral entgegengesetzte Positionen. Dennoch ist für die SPD die Verabschiedung der Kommunalrechtsnovelle ein wichtiger Meilenstein dieser Legislaturperiode.

Neue Gemeinsamkeit

Das Thema Kommunales wird uns weiterhin intensiv beschäftigen. In den Kommunen kommen viele Probleme unserer Gesellschaft als erstes an – egal wo die Ursachen liegen. Bürgermeister, Gemeinde- oder Stadträte sind die direkten Ansprechpartner für Bürgerinnen und Bürger. Und die erwarten zu Recht, dass der Staat für sie funktioniert – von der Polizei vor Ort bis zum Nahverkehr, von der vernünftig modernisierten Kita bis zur bürgerfreundlichen Verwaltung.

Mit anderen Worten: Kommunalpolitiker wissen sehr genau, wo die Säge klemmt. Gerade deshalb haben wir in den vergangenen Monaten stärker als bisher mit ihnen das Gespräch gesucht. Zum einen, um bei der Novellierung des Kommunalrechts möglichst viele Erfahrungen von vor Ort, Vorschläge und Änderungswünsche zu berücksichtigen. Zum anderen, um über diese Gesetzgebung hinaus weitere Anregungen für die Zusammenarbeit und die Lösung von Zukunftsaufgaben zu erhalten.

Um nicht um den heißen Brei herumzureden: In den vergangenen Jahren ist aus Sicht der Kommunen viel Vertrauen verloren gegangen – das war eine der bitteren Erkenntnisse aus diesen Gesprächen. Viel zu oft habe die Politik des Freistaates Sachsen die Handlungsspielräume der Kommunen eingeschränkt, ist uns in den vergangenen Monaten rückgemeldet worden. Das muss und wird sich grundlegend ändern.

Für gesellschaftlichen Zusammenhalt

Ein neues und vor allem konstruktives Miteinander ist wichtig für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land, das wir ja gemeinsam weiter voranbringen wollen. Genau deshalb haben wir mit unserem Koalitionspartner nun vereinbart, neue Wege zu gehen. Ziel ist die Stärkung der kommunalen Finanzausstattung, sowohl im allgemeinen als auch im investiven Bereich. So sollen die Kommunen künftig verstärkt zweckgebundene Pauschalen erhalten. Wir möchten Förderrichtlinien vereinfachen, deren Zahl reduzieren und – um noch ein Beispiel dafür zu nennen – bei Investitionen in die Bildungsinfrastruktur zu einem einheitlichen Fördersatz kommen.

Und auch von allen anderen jetzt vereinbarten Maßnahmen werden die Kommunen profitieren – angefangen beim Thema Polizeipräsenz über Vereinfachungen beim kommunalen Straßenbau bis hin zur flächendeckenden Versorgung mit Glasfaser. In allen Fällen werden die Projekte gemeinsam mit den Kommunen auf den Weg gebracht. Der Sächsische Städte- und Gemeindetag ist dabei ein wichtiger Partner.

Uns als SPD-Fraktion ist daher sehr wichtig, die Kommunen und ihre Verbände frühzeitig in die anstehenden Entscheidungen einzubinden. Und wir möchten den Gesprächsfaden nicht abreißen lassen. Vielmehr sind wir daran interessiert, unsere Kontakte noch auszubauen. Regelmäßige Gespräche – nicht nur zu konkreten Anlässen wie bei Gesetzesvorhaben – sollten eine Selbstverständlichkeit werden.

Meine Fraktion und ich sehen unserer weiteren Zusammenarbeit optimistisch entgegen.

Albrecht Pallas, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag