Dresden passt Nahverkehr an wachsende Fahrgastzahlen an
Der öffentliche Nahverkehr ist in den großen Städten die leistungsfähige, Stadtraum sparende und umweltfreundliche Alternative zum Autoverkehr und eines der wichtigsten Alltagsverkehrsmittel für Arbeitnehmer. Viele Betriebe stehen mit steigenden Fahrgastzahlen und hohen Kostendeckungsgraden heute (wieder) vergleichsweise gut da.
ÖPNV am Limit
Am Horizont muss sich die Verkehrspolitik jedoch mit den Grenzen des Wachstums auseinandersetzen. In den Großstädten erreichen Busse und Bahnen ihr Auslastungslimit. Die Stärkung des umweltfreundlichen Verkehrs ist somit immer öfter mit Sprungkosten (massive Infrastrukturinvestitionen) verbunden. In den weiterwachsenden Städten sorgen immer mehr Fahrgäste für längere Haltestellenaufenthalte, die dann zu Verspätungen führen. Auch können kleinere Unregelmäßigkeiten schon Auswirkungen auf das komplette Netz haben. Zudem nimmt der wahrgenommene Komfort in einem überlasteten Nahverkehrssystem tendenziell ab. Ergebnis all dieser Entwicklungen kann eine abnehmende Zufriedenheit mit dem Nahverkehr und das Abwandern von Fahrgästen Richtung Auto sein.
Gleichzeitig fragen sich Politiker, ob Nahverkehrsvorhaben angesichts des technologischen Wandels noch sinnvoll sind. Große Ausbauten haben einen Realisierungszeitraum von über zehn Jahren, inklusive Planungshürden und Fachkräfteengpässen. Wer will noch ein Projekt in Angriff nehmen, wenn in den Medien über den Siegeszug des autonomen Autos spekuliert wird? So zeichnet sich jetzt schon ab, dass z.B. in den USA unregulierte Taxidienste wie Uber für zusätzliche Staus und einen Fahrgastrückgang im Nahverkehr sorgen. Durch zusätzliche Assistenzsystemen steigt zudem der Fahrkomfort im Auto deutlich an und sogar Kapazitätssteigerungen im bestehenden Straßennetz sind denkbar. Nicht zuletzt werden gerade neuartige „On-Demand“-Sammeltaxen wie „ioki“ (DB) oder „moovel“ (Daimler) mit Einsatzzeiten und Linienwegen nach Kundenwunsch erprobt. Diese können sowohl eine Ergänzung, als auch eine Konkurrenz zum Nahverkehr sein.
Entlastung vom Autoverkehr
In diesem Umfeld soll der Dresdner Nahverkehr weiterhin stark bleiben und wachsen. Unser Ziel ist es, den Anteil am Stadtverkehr von heute 22 Prozent (ca. 160 Mio. Fahrgäste/Jahr) auf 25-30 Prozent (185-200 Mio. Fahrgäste/Jahr) zu steigern und damit die städtischen Verkehrswege und die Umwelt vom Autoverkehr zu entlasten. Unsere rot-rot-grüne-Antragsinitiative sieht einen Umsetzungszeitraum von 2025 bis 2030 vor. Das klare Ziel priorisiert und unterstützt den Nahverkehr in der Verwaltungsarbeit.
Der erste Schritt ist, das noch aus Zeiten des schrumpfenden Dresdens konzipierte Nahverkehrsnetz an das Stadtwachstum anzupassen. Wie viel Kapazitätsreserve ist in der morgendlichen Spitzenstunde wo vorhanden? Welche Strecken stoßen in welchen Jahren an ihre Grenzen und müssen deswegen priorisiert ausgebaut werden? Maßnahmen sind daher die Überprüfung und Verdichtung von Takten sowie die Anschaffung neuer Straßenbahnen. Da die neuen Fahrzeuge kapazitätsstärker und breiter sind, wird auch das Gleisnetz weiter abgestimmt ausgebaut. Besonders stark genutzte Buslinien werden mit dem Programm „Stadtbahn 2020“ auf Straßenbahnbetrieb umgestellt.
Neue Technologien einbeziehen
Mit den neuen Entwicklungen ändert sich auf die Erwartungshaltung der Menschen an Mobilität. Dienste wie „ioki“ in Hamburg holen die Menschen jederzeit an der nächsten Straßenecke ab. Für ein Wachstum, das über die steigende Einwohnerzahl hinausgeht, muss der Nahverkehr deswegen neue Angebote nah an den Menschen machen. In den Fokus müssen Busachsen der zweiten Reihe, die noch deutliche Potenziale besitzen und heute keine konkurrenzfähigen Verbindungen anbieten. Mit neuen On-Demand-Angeboten und Quartiersbussen wird das Hauptliniennetz des Nahverkehrs klug ergänzt und der Fahrgast fast direkt an der Haustür abgeholt. Große Potenziale gibt es auch noch bei der Anpassung von Tarifen an geänderte Lebenswirklichkeiten und bei der Verknüpfung des ÖPNVs mit dem Radverkehr und Carsharing-Angeboten.
Die Dresdner Stadtverwaltung, Verkehrsbetriebe und der Verkehrsverbund werden die Eckpunkte des Antrags mit Maßnahmen in einem Strategiepapier aufbereiten. Viele Ideen sind nicht neu, sondern seit Jahren in den Schubladen der Planer. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt sie anzugehen.
Autor: Hendrik Stalmann-Fischer, verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Stadtratsfraktion