Zehn Politiker von SPD und KPD mit Gedenktafel im Rathaus geehrt

Chemnitzer Sozialdemokraten an der Gedenktafel (v.l.n.r.): Jörg Vieweg (Stadtrat), Jacqueline Drechsler (stellv. Fraktionsvorsitzende), Ralf Hron (DGB-Geschäftsführer), Jürgen Renz (Stadtrat), Sebastian Reichelt (Vorsitzender SPD Chemnitz-Ost), Christoph Gericke (ehemaliger Stadtrat) und Egmont Elschner (Vorsitzender des Kulturbeirats)

Als Industriestadt kann Chemnitz auf eine lange sozialdemokratische Geschichte zurückblicken. Diese in Erinnerung zu halten, ist auch ein Anliegen der Chemnitzer SPD-Stadtratsfraktion. Daher hatten die Sozialdemokraten zusammen mit Linken und Grünen beantragt, all jene Stadtverordneten zu ehren, die in der Zeit von 1933 bis 1945 durch das NS-Regime zu Tode kamen. Diese Initiative wurde vom Chemnitzer Stadtrat am 6. März 2019 schließlich auch einstimmig beschlossen. Daraufhin hat das Stadtarchiv umfangreiche Recherchen angestoßen, die im Ergebnis zu den Namen von zehn SPD- und KPD-Stadtverordneten führten, die vor 1933 ein Mandat als Stadtverordneter innehatten und in Konzentrationslagern umkamen, durch die SA niedergeschossen wurden oder an den Folgen der KZ-Haft verstarben.

Vier ehemalige SPD-Stadtverordnete

Am 27. Januar 2020, dem Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus, wurde die Gedenktafel im Beisein von SPD-Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig im Rathaus eingeweiht. Unter den zehn Namen finden sich auch vier [JM1] ehemalige SPD-Stadtverordnete: So war Arthur Strobel Bevollmächtigter des Metallarbeiterverbandes und vertrat die Interessen der Fabrikbeschäftigten in der Chemnitzer Stadtpolitik. Ähnliches galt für den 1938 zu Tode gekommene Bohrer Kurt Nadebor. Auch der Gewerkschafter und Weber Eugen Fritsch gehörte in den Jahren 1918 und 1919 der Stadtverordnetenversammlung an und verstarb im September 1933 unter ungeklärten Umständen im KZ Hohnstein.

Wesentlich bekannter war Georg Landgraf, der als Angestellter im Verlag der „Volksstimme“ arbeitete. Er war 1933 kein Stadtverordneter mehr, hatte dieses Mandat zuvor allerdings 14 Jahre ausgeübt und war von 1926 bis 1930 sogar Vorsteher der Stadtverordnetenversammlung. Neben seinem Engagement für die Kultur- und Theaterlandschaft ist vor allen sein Wirken in der Wohnungspolitik nennen. Er machte sich vom vorbildhaften Wohnungsbau in Wien selbst ein Bild [JM2] und trieb die Gründung der Wohnhausbau Chemnitz GmbH im Jahr 1928 voran. Diese Gesellschaft schuf moderne und bezahlbare Wohnanlagen für jedermann und sollte die sozialen Verhältnisse in der südwestsächsischen Stadt verbessern. Aufgrund geänderter politischer Mehrheitsverhältnisse kam der Wohnungsbau aber schon 1930 zum Erliegen.

Ermordung von Georg Landgraf

Der politische Rechtsruck war nur ein Vorbote dessen, was wenige Jahre später passieren sollte. Nach dem Brand des Reichstages in Berlin wurde die Chemnitzer Volksstimme am 2. März 1933 verboten. Daraufhin versuchten SA-Männer am 9. März 1933 die Druckerei der Volksstimme zu besetzen. Georg Landgraf verweigerte ihnen als Verlagsleiter den Zutritt und wurde durch zwei Pistolenschüsse auf den Stufen zum Verlagsgebäude ermordet.
Für Jaqueline Drechsler, stellvertretende Vorsitzende der Chemnitzer SPD-Stadtratsfraktion, ist die Gedenktafel eine Mahnung, wie schnell eine mühsam erkämpfte Demokratie und die daraus folgende kommunale Selbstverwaltung abgeschafft, wie Recht gebrochen und engagierte Menschen ermordet, inhaftiert, mundtot gemacht wurden:
„In Chemnitz sehen wir den Niedergang darin, dass der 1932 von den Chemnitzerinnen und Chemnitzern gewählte Stadtrat schon Anfang 1933 durch Inhaftierungen und herbeigeführte Rücktrittsgesuche sozusagen aus den Angeln gehoben wurde.“