Pegida scheint sich zu zerlegen. Die fremdenfeindlichen sowie aus Misstrauen gegen die parlamentarische Demokratie speisenden Motive sind deshalb aber nicht verschwunden. Pegida war wohl ein sächsisches Phänomen sein, doch in ganz Europa erhalten angesichts von Bankenskandalen, Wirtschaftskrisen und weltweiter Wanderungsbewegungen Links- und Rechtspopulisten Zulauf. Bei allem Negativen, es lohnt darüber nachzudenken, ob sich nicht auch positive Effekte für die demokratische Kultur zeigen.

Erstens hat Pegida zu einer Politisierung geführt. Fast alle Sachsen haben in ihren Familien diskutiert. Auch wenn das Thema „soziale Gerechtigkeit“ schöner gewesen wäre, diese Politisierung ermöglicht vielleicht bessere Debatten auch über soziale Spaltung oder Bildung. Die sächsische CDU hat die letzten Jahre eine Entpolitisierung zugelassen und gefördert. Alles sei gut, man brauche sich um nichts kümmern. Dies könnte aufgebrochen werden. Daran anknüpfend haben sich zweitens viele für und wider etwa durchaus Streitbares positioniert. Dies war nicht selbstverständlich, haben sich doch viele bislang durch die Politik laviert, um persönlich nicht anzuecken. Vielleicht wird in Zukunft auch bei anderen Themen Position bezogen. Drittens wurde in Sachsen zu oft Fremdenfeindlichkeit unter den Tisch gekehrt. Bis 2004 behauptete die CDU, die Sachsen seien immun gegen Rechtsextremismus. Nach dem Wahlerfolg der NPD gab man zu, es gäbe ein paar Nazis, alle anderen seien aber weltoffen. Das Problem ist nun offengelegt. Ein vierter positiver Effekt könnte darin bestehen, dass politische Bildung endlich einen wichtigen Stellenwert bekommt. Pegida hat nämlich ein erschreckendes Nicht-Wissen gezeigt – wenn etwa vor einer Islamisierung bei einem Anteil von 0,4 Prozent Muslime gewarnt wurde. Halbwahrheiten und Verschwörungstheorien wurde mehr geglaubt als Medien und politischen Institutionen. Diese könnten aus der massiven Kritik lernen, mehr erklären, differenzieren und beteiligen. Und nicht zuletzt haben sich fünftens seit 1990 nie so viele Menschen öffentlich engagiert. Deutschlandweit gingen Zehntausende gegen Fremdenfeindlichkeit auf die Straße. Tausende engagieren sich für Flüchtlinge.

All diese positiven Effekte müssen aber genutzt werden. Die Stärkung der politischen Bildung geschieht nicht von allein, Positionierung muss eingefordert und die Politisierung gefördert werden. Wenn Pegida fälschlicherweise behauptete, dass sich Rentner wegen der Flüchtlinge keinen Stollen mehr leisten könnten, muss die SPD das Thema Altersarmut besetzen. Denn die erwartbare massive Zunahme wird nicht nur individuell ein Problem, sondern sie bedroht regionale Wirtschaftskreisläufe und kommunale Haushalte. Die Gegenmacht gegen Fremdenfeindlichkeit muss weiter gestärkt werden. Wir müssen auch unsere politische Sprache überdenken: Die SPD muss auch das Herz der Bürger statt nur Vernunft und Pragmatismus ansprechen. Bürgern muss mehr erklärt werden, dass etwa nicht „die“ Politik („die da oben“) entscheiden, sondern Mehrheiten in Stadt- oder Kreisräten. Denn Pegida hat gezeigt, dass viele die pluralistische Demokratie nicht verstehen.